c.h.huber - kurze schnitte

Schnitt 1

Über die Liebe

Deine Hand eine Schnecke, wenn das nicht so grauslich klänge. An der Tischkante entlang kroch sie auf meine zu. War vollen Gläsern ausgewichen, auch dem Aschenbecher. Und wie dumm ich geschaut haben muss, als ich es beim zweiten Mal endlich kapierte.
Eigentlich war ich nicht vorgesehen für dich, bin im falschen, letztendlich dennoch richtigen Film gelandet. Zuerst aber die bösen Blicke, die unsere Annäherung hervorrief. Ermorden hätten sie mich wollen. Was hab ich schon getan? Ich stieß dich nicht fort, zog meine Hand nicht zurück. Dann mein Weitwerden. Es warf mich beinahe vom Stuhl! Die Nacht begann zu flirren, drängte sich ins Lokal, in dem wir saßen. Als du mir in den Mantel halfst der kleine Biss in den Hals. Sämtliche Härchen meines Körpers trieb er in die Vertikale. Und wenn es innere gibt, taten sie dasselbe. Standen den Küssen draußen auf der Straße als hundert Millionen Sensoren Spalier.
Die Liebe. Eine Haarsträhne. Ich streiche sie dir oft aus der Stirn. Heute morgen fiel mir ihre Verfärbung auf. Oder gestern. Dein Knie, über dessen Falten du dich beklagt hast. Lächerlich zerknittert sieht es aus, wenn du das Bein ausstreckst. Mit meinem Hals, der seine Ringe immer tiefer sichtbar werden lässt, tröstete ich dich. Dennoch. Wie leicht habt ihr Männer es alt zu werden. Und natürlich dein Widerspruch. Wir rechneten uns Fettpolster auf. Gesenkte Brüste und ehemals feste Hinterbacken und Schenkel. Auch Arme, die sich verbergen müssen, deine beginnende Glatze. Mit einem Mal aber Stille. Eine Hand, die nicht mehr kroch. Die fest zupackte. Im verwuschelten Haar die Finger deiner zweiten. Meinen Kopf bogen sie zurück. Ein Vogelpicken, die kurzen kleinen Küsse. Dann der Biss der ewigen Schlange und das gemeinsame Stolpern. Zur Couch.